Das abscheuliche Attentat von Solingen hat den Freundeskreis Asyl Freudenstadt zutiefst erschüttert und betroffen gemacht. Doch anstatt uns von Entsetzen und Angst leiten zu lassen, lehnen wir entschieden die politische Instrumentalisierung dieser schrecklichen Tat ab.
Es ist inakzeptabel, ein widerwärtiges islamistisches Verbrechen zur Grundlage für Entscheidungen zu machen, die alle Geflüchteten grundsätzlich treffen.
In jüngster Zeit beobachten wir auf nationaler und europäischer Ebene eine beispiellose Verschärfung der Asylpolitik:
- Die Priorisierung von Abschottung, Abschreckung und Abschiebung, gepaart mit der Auslagerung von Asylverfahren in Drittstaaten bedeutet eine dramatische Kehrtwende in der Behandlung geflüchteter Menschen.
- Mit der Zurückweisung Geflüchteter an den europäischen Binnengrenzen
folgen nun Deutschland und die Niederlande einer Politik der völligen
Abschottung, die zunächst nur von Ländern wie Ungarn und Dänemark
praktiziert wurde. Der daraus resultierende absehbare Domino-Effekt wird dazu führen, dass die Geflüchteten alleine den Mittelmeerstaaten sowie Bulgarien überlassen werden. Dabei wird das Risiko, die EU zu spalten, bewusst in Kauf genommen. - Anstatt mit der Seenotrettung zu kooperieren, wird diese behindert, diffamiert und kriminalisiert.
- Die Mittel, die für Migration und Integration zur Verfügung standen, werden seit Sommer dieses Jahres zunehmend für die Ausstattung der Bundespolizei verwendet, um eine verstärkte Grenzüberwachung zu ermöglichen. Dafür wurde das Budget für Integrations- und Sprachkurse halbiert. Schon seit Jahren wurden Stellen beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge abgebaut – mit fatalen Folgen für die Bearbeitung von Asyl- und Einbürgerungsanträgen sowie aufenthaltsrechtlicher Entscheidungen.
- Parallel wurden die Fristen des Bezugs reduzierter Sozialleistungen für Asylbewerber, darunter der Gesundheitsleistungen, von 18 auf 30 Monate
verlängert; der „Abschiebegewahrsam“ wurde von 10 auf 28 Tage verlängert. - Die Forderung, überhaupt keine Menschen aus Afghanistan und Syrien mehr aufzunehmen, wird mittlerweile zwar nicht mehr laut erhoben, da sie zu offensichtlich grundgesetzwidrig ist, hat aber gezeigt, wohin die politische Debatte gelangt ist.
Eine Verschärfung der Asylpraxis verhindert keine Terroranschläge. Was wirklich notwendig wäre, ist Präventionsarbeit innerhalb islamischer Gemeinschaften sowie gezielte Maßnahmen gegen Radikalisierung auf digitalen Plattformen, inklusive der Stärkung des Medienrechts zur Kontrolle extremistischer und diskriminierender Inhalte auf „social media“. Die Darstellung der Migration als „Mutter aller Probleme“ und Schlagworte wie die angebliche „Einwanderung in unsere Sozialsysteme“ waren Steilvorlagen für die Rechtsextremisten und haben deren Hetze gegen die Geflüchteten befeuert. Die Realität sieht anders aus: Von den weltweit 120 Millionen Flüchtlingen leben nur drei Millionen in Deutschland; pro Kopf liegt ihr Anteil lediglich knapp über dem EU-Durchschnitt. Die täglich wiederholte Behauptung, dass die Migranten „unser Hauptproblem“ seien, negiert die Verantwortung für die jahrzehntelangen Versäumnisse im Erhalt und Ausbau von Infrastruktur, Bildung, Wohnungsbau und Gesundheitsversorgung.
Hilfloser Aktionismus, wie die Abschiebung von 28 Straftätern nach Afghanistan, dient nicht der Problemlösung. Diese kostspieligen Maßnahmen mögen kurzfristig Aufmerksamkeit erregen, jedoch zeigt sich mit der zügigen Freilassung des größten Teils dieser Gruppe durch die Taliban die Absurdität dieser Maßnahme. Niemand braucht sich zu wundern, wenn diese Menschen bald schon wieder bei uns sind.
Es ist ein fataler Erfolg des Rechtsradikalismus, wenn demokratische Parteien Teile der AfD-Programmatik übernehmen. Ein verwässerter Antifaschismus, der einerseits die Faschisten ausgrenzt, andererseits aber ihre Positionen übernimmt, trägt zur schleichenden Normalisierung rechtsextremer Ideologien bei. Wir dürfen dieser Entwicklung keinen Raum geben – jetzt ist die Zeit, entschlossen gegen jede Form des Faschismus aufzutreten und für eine menschenwürdige, solidarische Politik zu kämpfen.